Faschismus, Autoritarismus, Trumpismus

Inhaltsverzeichnis
Dieser Newsletter wird aufgrund der ‚akuten Lage‘ des Themas nicht hinter der Paywall erscheinen. Er ist frei lesbar. Wenn euch die Informationen in eurem Denken und Verstehen der Situation weiterhelfen, erwägt bitte ein Abonnement (kostenlos wie auch kostenpflichtig möglich). Somit ermöglicht ihr mir, diese Arbeit auszubauen.
Donald Trumps Fähigkeit, eine Gesellschaft zu spalten, ist vermutlich sein größtes Asset. Und obwohl wir sehr viel über Trump wissen, tun wir uns bis heute schwer, ihn in eine Kategorie zu packen. Ist er ein Unternehmer? Ein Entertainer? Ein Politiker? Ein Diktator? Alles zusammen? Die Frage wer er ist, beantwortet sich am besten durch seine Taten. Doch dabei ist die Schwierigkeit, zu imaginieren, wozu Trump fähig ist. Wer er sein wird und was die US-amerikanische Gesellschaft mitträgt.
Ein Ansatz ist, zu betrachten, was Trump tut. Vorgang für Vorgang. Man muss der Schnelligkeit der Dinge folgen, die geschehen. Und zugleich weiß man nicht, wie der jeweilige Vorgang endet, weil es zu fast jedem Versuch einer Änderung entsprechende Klagen gegen die Trump-Administration und/oder ihre ausführenden Organe gibt. Hinzu kommen Gerichtsurteile, die die Administration ignoriert oder Vorgänge, die dann andersartig doch umgesetzt werden. Man weiß momentan nicht, was wirklich passiert sein wird.
Aber selbst wenn man es wüsste, dann braucht es einen sichtbaren Rahmen für das, was stattfindet. Das führt zu der Frage, was die Idee der Dinge in ihrer Gesamtheit ist.
Im Wahlkampf 2024 wurde Trump in die Nähe zu Project 2025 gerückt (das 2023 bekanntgemacht wurde). Ein Ideengebilde der Heritage Foundation, die oftmals als konservativer Thinktank dargestellt wird. Der Begriff ‚konservativ‘ scheint mir aus Deutschland heraus, inhaltlich nicht ganz zu greifen, was die Heritage Foundation möchte. Hier die Selbstbeschreibung (übersetzt mit DeepL)
Heritage’s Mission ist die Formulierung und Förderung einer öffentlichen Politik, die auf den Prinzipien des freien Unternehmertums, einer begrenzten Regierung, individueller Freiheit, traditionellen amerikanischen Werten und einer starken nationalen Verteidigung basiert.
Wer es detaillierter möchte, schaut in die Details. Wie ernst es die Foundation meint, kann man am besten an den Worten ihres Präsidenten Kevin Roberts erkennen:
„Wir sind dabei, die zweite amerikanische Revolution zu erleben, die unblutig bleiben wird, wenn die Linke es zulässt.“
Wer sucht, wird weitere nicht gerade anheimelnde Zitate des Herren finden.
Es ist diese Rahmensetzung, die Trumps aktuellem Vorgehen einen ideologischen Rahmen verleiht, der uns sorgen lassen muss. Die Umsetzungsversuche können über den Project 2025 Tracker verfolgt werden. Auch wenn Trump als Instinktpolitiker gilt, lassen sich über die Zeit ideologische Linien bei ihm erkennen. Ein minimalistischer Staat, Entregulierung für die Wirtschaft, Rassismus, ein konservatives (patriarchales) Familienbild, Kritik an der NATO, heimische Produktion und Zölle. Da gibt es einige Überschneidungen zu Heritage.
Der Punkt an all dem Trump ist aber, dass er dabei im Mittelpunkt stehen muss. Er unterzeichnet, er segnet ab, er entscheidet und alle anderen müssen folgen. Bedingungslos. Dabei schätzt Trump eine Situation besonders: Wenn Gegner ihm ‚den Ring küssen‘, sprich sich unterordnen.
Die Sache mit der Diktatur...
Es gibt zwei dominierende Themes:
- Trump ist ein Mafiaboss und führt uns in die Oligarchie.
- Trump ist ein Diktator und er führt uns in den Faschismus.
Das eine schließt das andere nicht aus, wie Vladimir Putin uns vorführte, den ich hier als Role Model für den Vergleich heranziehe.
Putin hat seine Macht erst im Inneren konsolidiert. Dabei setzte er auf die Kontrolle der Medien und die Kontrolle der Oligarchen. Putin zog die Schlinge langsam zu. So langsam, dass ihm der Westen über lange Zeit gewogen bleiben konnte (vor allem wirtschaftlich) und sich zugleich an das System Putin gewöhnte um es mit den positiv besetzten Argumenten (Konstanz, Stabilität, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verlässlichkeit) zu verklären. Das ging in 2014 in Deutschland dann soweit, dass man die Annexion der Krim als ‚schon immer russisch‘ verklären konnte und im diplomatischen Schema F verblieb.
Der Konsolidierung nach innen folgte die Konsolidierung nach außen. Der Angriff auf Georgien in 2008 war hierfür das klarste Signal. Doch es wurde ignoriert. Die Annexion der Krim in 2014 mit anschließendem heiße Krieg in der Ostukraine, der 2022 in der russischen Invasion der Ukraine mündete, war immerhin 8 Jahre lang beiseite schiebbar.
Interessant ist in dieser Kaskade die Zeit zwischen 2014 und 2022, in der es innerhalb Russlands eine Welle der Militarisierung und der Normalisierung des Krieges gab. Der Krieg wurde in den Alltag integriert, zum Sinnbild für die Nation stilisiert. Journalistïnnen, die im Westen darüber berichteten, wurden als Kriegstreiberïnnen verlacht und gemobbt.
Putin ist nicht Trump, auch weil er in viel jüngeren Jahren seine Präsidentschaft startete. Trump hingegen kam zwar 2016 zum ersten Mal ins Amt des Präsidenten, doch ist erst 2025, bei seiner zweiten Amtszeit, darauf vorbereitet. Diese Vorbereitung startete in 2021, als Trump bereit war den Sturm aufs Kapitol mitzutragen, um nach einer Wahlniederlage an der Macht zu bleiben.
Die US-Institutionen waren nicht in der Lage, daraus eine Konsequenz für Trump zu schaffen, wodurch dieser über vier Jahre seine Macht innerhalb der GOP konsolidieren und unangefochten gen zweiter Amtszeit streben konnte. Mit nun 78 hat er biologisch betrachtet recht wenig Zeit für die Ausübung der Macht. Vieles muss schnell gehen.
Trump hat die Energie und er hat den Willen, die USA umzubauen. Über die Heritage Foundation hat er auch das notwendige Werkzeug. Nicht weil es ihn ideologisch gebildet hätte, sondern weil er durch deren Form der politischen Einflussnahme Personal an seine Seite bekommt, das Willens und fähig ist, die Dinge umzusetzen. Im Sinne Trumps, der oftmals mit den Anliegen der Heritage Foundation übereinstimmt. Denn in dem Ideenkonstrukt liegt nicht nur ein Umbau der Gesellschaft, sondern eine Möglichkeit für Trump, mehr und mehr Macht auf das Präsidentenamt zu konzentrieren.
Dabei beschreitet Trump instinktiv und von allen rechtlichen Fesseln befreit, den Weg des klassischen Diktators.
Informationen werden kontrolliert. Die Ergebnisse des Rechtsweges versucht man über genehme Richterinnen und Richter vorab zu klären. Journalistïnnen und Verlage werden angegriffen, wenn sie nicht auf Linie berichten. Anwaltskanzleien werden ebenso attackiert wie Richter und Abgeordnete / Senatoren, die die vorgegebene Linie zu stark verlassen. Oftmals regiert der Versuch einer Trump’schen Vergeltung gegenüber Kritikern und alten Feinden. Was die Wirtschaft betrifft: Sie hat sich aus ureigenem Interesse freiwillig entschieden, sich nicht gegen Trump II zu stellen. Man versucht ihn zu nutzen, ihn nicht als Feind zu gewinnen und auch direkt von ihm zu profitieren.
Das Vorführen von Selenskyj im Weißen Haus war dahingehend ein Dammbruch-Ereignis, weil es das Fass der Diktatur-Entwicklungsvergleiche zum Überlaufen brachte. Das öffentliche Vorführen und Beschämen von Kritikern ist eines der Kernelemente in Diktaturen. Inklusive öffentlicher Entschuldigung des Opfers beim dann gnädigen Herrscher. (Kadyrov und Lukaschenka sind Meister dieses Fachs.)
Jeden dieser vor uns liegenden Pfade, die Trump gerade beschreitet, kann man mit Putins Vorgehen abgleichen und wird feststellen, dass es eine merkliche Ähnlichkeit gibt. Weitet man den Blick auf andere Diktaturen und Diktatoren aus, wird man eine Art System des Staatenumbaus erkennen.
Man kann das Oligarchie nennen, Faschismus, Diktatur oder Autoritarismus. Menschen, die sich mit diesen Systemen und vor allem dem Umbau von Systemen befasst haben, erkennen dieses Ende im Handeln Donald Trumps.
Was nun?
Die Warnsignale sind eindeutig. Das bedeutet aber nicht, dass die USA in einer Diktatur enden müssen. Besorgniserregend ist, dass es bisher wenig politische Gegenwehr gibt. Den Höhepunkt dieses fehlenden Kampfwillen konnte man zuletzt an Chuck Schumers einknicken gegenüber der GOP beim Thema Budget beobachten. Zugleich mobilisiert die Empörung darüber nun viele Kräfte. Hier keimt die Hoffnung.
Es gibt auch zunehmend Widerstand aus den Reihen der GOP-Wähler. Doch das ist ein langer Weg. Ebenso werden die Interessen der US-Unternehmen stark geschädigt, wenn man in Europa, beginnt den USA zu misstrauen (z.B. in dem man einen Kindle gegen ein Pocketbook und Remarkable austauscht.). Die Zeit wird kommen, doch nichts ist klar und sicher.
Wer die Diktaturvergleiche auf die Spitze treiben möchte, dem und der empfehle ich ‚Rhyming Chaos‘, einen Newsletter und Podcast von Jeremy Golkdkorn. Jeremy kommt aus dem Lager der China Watcher und wurde in Süd Afrika geboren. Während der Zeit der Apartheid. Bei ihm triggert der aktuelle Verlauf sehr vieles und er ist hoch alarmiert. Bis hin zu der Annahme, dass es nicht mal mehr die Midterms geben wird. Das halte ich zwar für ‚drüber‘, aber ich verstehe woher das kommt und er ist damit auch nicht alleine. Die aktuelle Geschwindigkeit der Veränderungen kann zu der Annahme leiten.
Man muss dem nicht zustimmen. Ich halte den Newsletter und den Podcast für einen wichtigen Indikator, der es ermöglicht, die ggf. eigene Sorglosigkeit zu hinterfragen. Denn auf Trump zu blicken ist das eine, auf Deutschland zu schauen im Angesicht der stärker werdenden Rechten, ist das andere.
Ihr merkt vielleicht, dass ich den gesamten Denkansatz komplett nachvollziehen kann. Inklusive der darin liegenden Panik. Daher finde ich es wichtig, wenn mehr von dieser Sorge gehört wird. Und meine Sorgen sind sehr ähnlich. Nicht nur für die USA, sondern auch für Europa, für Deutschland. Daher wird es in den nächsten Folgen des ForeignTimes Podcasts (Gustav Gressel, Jörg Lau und Marcel Dirsus) auch mehr oder weniger um diese Frage gehen: Wohin bewegen wir uns? Was bleibt uns?
- Auf Twitter teilen
- Auf Facebook teilen
- Auf LinkedIn teilen
- Auf Pinterest teilen
- Per E-Mail teilen
- Link kopieren
Auslandsbericht Newsletter
Treten Sie dem Newsletter bei, um die neuesten Updates in Ihrem Posteingang zu erhalten