Zum Inhalt springen

Putin-Double

Trump wirft Selenskyj aus dem Weißen Haus. Mich beschäftigt daher das Verhältnis zwischen Trump und Putin und ob da was zu retten ist.

Marco Herack
Marco Herack
9 minuten gelesen
Die Küchen dieser Welt lernen neue Gewürze kennen.
(Privat)

Inhaltsverzeichnis

Dieser Newsletter wird aufgrund der ‚akuten Lage‘ des Themas nicht hinter der Paywall erscheinen. Er ist frei lesbar. Wenn euch die Informationen in eurem Denken und Verstehen der Situation weiterhelfen, erwägt bitte ein Abonnement (kostenlos wie auch kostenpflichtig möglich). Somit ermöglicht ihr mir, diese Arbeit auszubauen.

Eigentlich müsste ich drei Podcasts schneiden, ein Buch fertiglesen und zur Besprechung aufbereiten oder mich um andere Dinge kümmern. Und dennoch sitze ich nun hier und schreibe über diesen Trump.

Ich habe hier in diesem kleinen Newsletter in den letzten Jahren nicht sonderlich oft veröffentlicht, dafür aber immer mit tiefergehenden Gedanken. Meinem Gefühl nach war ich ziemlich treffsicher. Die übergeordneten Entwicklungen sind so eingetroffen, wie es zu befürchten war. Insbesondere Europa steht seit drei Jahren vor einer Entscheidung, die es nicht so recht treffen wollte. Oder nur sehr langsam umsetzte. Olaf Scholz war die treibende Kraft dieser Fehlentwicklung, aber es wurde ihm auch leicht gemacht von seinen Koalitionspartnern aus FDP und Grünen.

Doch das ist Geschichte. Friedrich Merz hat in der letzten Woche des Wahlkampfes die blanke Wahrheit erkannt. Für die Sicherheitspolitik Europas gibt es keine Übergangsfrist. Entweder ist sie da oder sie ist nicht da. Auf die USA kann man sich, zumindest unter Trump, nicht verlassen. Und was nach Trump kommt, weiß Gott allein.

Nun sind wir zwei Wochen weiter und seit Freitag (28. Februar 2025) gibt es eine weitere Klarheit. Trump wird die Ukraine Russland zum Fraß vorwerfen, wenn es nicht innerhalb der USA einen Aufstand des Establishments gegen sein Vorgehen gibt. Und das einzige, was dieser Entwicklung entgegenstehen könnte, kann Europa sein.

Parallelen

Nun war europäische Stärke und Selbstbehauptungsfähigkeit immer das, was ich hier geschrieben habe. Das müssen wir nicht nochmal lesen. Stattdessen will ich euch von einer Parallele berichten, die mir aufgefallen ist und die in meinen Augen die Dringlichkeit unterstreicht.

Vor der Invasion in die Ukraine versuchte ‚der Westen‘, was insbesondere die USA meint, Putin von der Invasion abzuhalten. Putin stellte daraufhin zwei Forderungskataloge zur Verhandlung auf, die sich im Wesentlichen um 5 Punkte drehten:

  1. Verzicht auf eine NATO-Erweiterung, insbesondere der Ukraine und ehemaliger Sowjetstaaten.
  2. Abzug von NATO-Truppen und Waffen aus allen Ländern, die seit 1997 der NATO beigetreten sind.
  3. Keine Stationierung von Mittelstreckenraketen, die das Territorium der jeweils anderen Seite erreichen können.
  4. Militärübungen im Grenzgebiet nur noch in Brigadegröße.
  5. Atomwaffenstationierung nur noch im jeweils eigenen Land. Also Russland in Russland und die USA in den USA.

Man kann diese Forderungskataloge nicht als Verhandlungsauftakt sehen, sondern muss sie als Denken begreifen. Das ist ein Zustand, den Putin gerne sehen möchte. Ein Europa, das nicht mehr unter dem Schutz der Atomwaffen der USA steht, ungeschützte NATO-Gebiete und keine weiteren Länder, die von der NATO geschützt werden.

Natürlich lehnte das Verteidigungsbündnis die Forderungen ab. Es gab keinen anderen Weg.

Ein zweiter sehr bemerkenswerter Vorgang im Vorfeld von Russlands Invasion in die Ukraine in 2022, war ein von Macht besoffener Putin, der sein Sicherheitskabinett zusammenrief, um sich in aller Öffentlichkeit seine Meinung von diesem vortragen zu lassen. Mancher Kommentator empfand das als nahezu stalinistisch. (Hier ein Video, wie Sergei Naryshkin vor Angst fast zusammenbricht, während Putin ihn genüsslich abkanzelt.)

Man konnte an diesem Handeln und an diesen Forderungen damals sehen, dass Putin nicht zurückgehen würde. Er kannte seinen Weg und empfand ihn als heilige Pflicht gegenüber ‚seinem Russland‘.

Genau daran musste ich denken, als ich heute Morgen nachlas und nachsah, wie das Meeting zwischen Selenskyj und Trump gelaufen ist.

Zunächst gab es die unhaltbare Forderung von Trump an die Ukraine. Sie solle 50 % ihrer künftigen Einnahmen aus staatlicher Rohstoffgewinnung an die USA abführen. Das Ganze wurde lautstark und mühsam in Verhandlungen etwas modifiziert und man sprach dann von gemeinsamen Investitionen, aber bis zum Schluss fehlte ein wichtiger Part: Die Trump-Administration verweigerte jede Sicherheitsgarantie für die Ukraine. Russland werde sich von der Ukraine fernhalten, weil da US-Unternehmen sein werden.

Selenskyj fuhr nun in die USA, um das Abkommen zu finalisieren. Der Abkommenstext war ein Rahmenvertrag ohne Details. Man hat sich im Grunde darauf geeinigt, dass man sich einigen werde. Das ist bei Verhandlungen nicht ganz unüblich. Als Selenskyj dann bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus saß, eskalierte die Situation und die ukrainische Delegation wurde anschließend rausgeworfen.

Hier ist die Eskalation zum Nachschauen: Spiegel auf Youtube

Wir haben bei Trump also auch hier 1. eine ungangbare Forderung und 2. eine öffentliche Demütigung.

Ein Putin-Double. Eine Machtdemonstration, die weit über den einzelnen Vorgang hinaus gelten soll.

Putin-Double

Mit Blick auf die Parallelen und auf frühere Aussagen Trumps, stellt sich die Frage, ob es jemals hätte anders enden können, und ich fürchte, die Antwort ist simpel: Nein.

Besonders ein Blick auf die weichen Faktoren ist dabei erhellend. Also auf den Donald Trump, der seine Präsidentschaft wie im Rausch begonnen hat. Der sich selbst als König ansieht, eine dritte Amtszeit nicht ausschließen mag und die staatlichen Institutionen zunächst zerschlägt, dann aber sicher seinem Gusto nach umgestalten wird. Weniger weich ist die Umbenennung des Golfes von Mexiko in den Golf von Amerika, die geplante Annexion Kanadas als Bundesstaat der USA oder die Übernahme Grönlands. Vom Streit um den Panamakanal wollen wir hier nicht anfangen.

Trump II ist imperial geprägt und für Trump gibt es dabei ein Vorbild: Putin.

Es gibt eine weitere Aussage, die dahingehend tief blicken lässt und die gerade Europa unruhig werden lassen sollte. (Link Yahoo, Ursprungsquelle Breitbart Interview)

In his interview, Rubio characterized US-China relations as the “big story of the 21st century.” While he said Washington was going to have disagreements and confrontation with both Beijing and Moscow, Rubio stressed that maintaining a relationship with both was important. “These are big, powerful countries with nuclear stockpiles. They can project power globally,” he said. “I think we have lost the concept of maturity and sanity in diplomatic relations.”

In den letzten drei Jahren ist durch Putins Agieren und mit einhergehender Propaganda die Angst und somit die Debatte um atomare Fähigkeiten zurückgekehrt. Doch wird sie in den USA dieses Mal nicht aus Sicht der Stärke geführt, sondern ist angstbesetzt. Man möchte nichts riskieren. Stattdessen wird diese Debatte dazu genutzt, um zu rechtfertigen, warum man sich nun mit Putin und China im Dreierbund arrangieren müsse. Als Sahnehäubchen kommt die Zeitnot. Denn je länger Russland allein auf chinesische Hilfe angewiesen sei, desto untrennbarer sei es von China.

Das ist relevant, weil in den Köpfen der Trump-Administration ein Reverse Nixon rumgeistert. Nixon und Kissinger haben damals China aus dem russischen Orbit gezogen, um die UDSSR zu isolieren. Vom Ergebnis her gab es während des Kalten Krieges eine graduelle Verschlechterung der Beziehungen zwischen Moskau und Beijing, die aber auch nicht ohne die historische Vorgeschichte der beiden Länder gedeutet werden sollte. Nixon ja, aber …

Nun wäre die erste Frage, ob man das China damals mit dem Russland von heute überhaupt vergleichen kann. Diese Frage wird oftmals nicht gestellt, ist aber entscheidend.

Um das nicht zu sehr zu vertiefen, gebe ich euch dazu ein paar Daten: Nixon thematisierte China in seinem Wahlkampf. Gewählt wurde er 1968, Kissinger flog 1971 im Geheimen nach China. Nixon besuchte China im Februar 1972. 1973 wurde gegenseitig ein Liaison-Office eröffnet. Im April 1975 endete der Vietnamkrieg. Mao starb 1976, Deng wurde Chairman im März 1978. Im Januar 1979 wurden die diplomatischen Beziehungen hergestellt und Deng besuchte Washington.

Das waren jahrelange Anstrengungen auf sehr vielen Ebenen. Und China selbst durchlief innerhalb dieser Zeit einen Wandel, allein schon durch den Tod Maos. Die USA wiederum hatten ihre Kriege in Korea und Vietnam beendet. Während China misstrauisch gen Russland blickte. Mir fehlt ein wenig die Fantasie für Gleichnisse gegenüber dem heutigen Russland.

Das liegt vor allem an Putin, denn der hat sich noch nie für Wirtschaft interessiert. Russland bekommt es nicht mal jetzt hin, in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, Kooperationsprojekte mit China umzusetzen. Das läuft im Regelfall so, dass die chinesische Seite ihren Anteil innerhalb kurzer Zeit erfüllt und der russische Anteil über Jahre liegen bleibt. Putin müsste erst den Mao machen und Russland einen Deng bekommen, damit hier eine echte Entwicklungsmöglichkeit absehbar ist.

Das Interesse Putins ist imperialer Natur.

Die neue Welt

Wir wissen seit Trump I, dass Putin von Trump verehrt wird. Die beiden haben Berichten zufolge während Trumps Auszeit Kontakt gehalten. Und auch Elon Musk scheint eine Vorliebe für Putin zu haben und einen gewissen Draht. Dennoch neige ich nicht dazu, Trump als Puppe Moskaus zu sehen. Die Situation ist im Grunde viel schlimmer, wenn man davon ausgeht, dass Trump aus Überzeugung handelt. Es entspricht seinen Instinkten.

Wie oben geschrieben, beginnt Trump als Präsident in Landnahmen zu denken und die amerikanischen Institutionen auf sich zuzuschneiden. Es sind autoritäre und imperiale Entwicklungen. Wir können diese nicht mehr ignorieren und sie sind viel klarer zu sehen, weil Trump diese Entwicklung nicht über viele Jahre hinweg hinlegt, wie Putin, sondern innerhalb kürzester Zeit alles sichtbar wird. Er ist etwas mehr als einen Monat im Amt.

Bei aller Ähnlichkeit sollte man Trump aber nicht für Putin halten, denn dieser war immer dann kooperativ, wenn es ihm nützte. Trump hingegen will Alleinherrscher sein. Er kennt das Konzept der Verbündeten nicht, weswegen in seiner Regierung auch nur Leute sitzen, die ihm nicht widersprechen und in jedem Post im Internet loben bzw. ihm huldigen.

Sichtbar wird das in den USA, wenn Trumps Leute bei NPR Journalisten rauswerfen wollen, die eine ihnen nicht genehme Quelle zitieren. Oder wenn Trump ‚die Medien‘ verklagen möchte, weil diese mit unbenannten Quellen arbeiten. Bei Jeff Bezos, der den Meinungsteil der Washington Post umbaut, damit dieser Trump nicht verärgert.

Es gibt nun sehr viele Spekulationen, was da passiert ist mit Selenskyj, nachdem Vizepräsident Vance seinen Einwurf machte. Einen ähnlichen Vorgang gab es schon bei Starmer, der verlief nur anders. Es ist eine Art Gesinnungstest.

Schaut man sich das Setting an, in dem Selenskyj saß, stellt man Unterschiede zu Biden fest. Damals saßen Selenskyj und Biden. Bei Trump sitzt die Entourage dabei und der Gast. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes wie ein Hof zu Königszeiten. Die Verführung für diesen Hof, auf den Gast loszugehen, ist hoch. Fürs Maga-Publikum oder um Trump zu gefallen. Aber eben auch, um einen Gesinnungstest durchzuführen.

Ordnet sich der Gast unter? Das ist der erwünschte Weg. Wenn nicht, dann ‚fire and fury‘. Denn in all dem Bedürfnis nach autoritärer Herrschaft, steckt im Trump auch ein Nero.

Fin

Im Regelfall neige ich dazu, jeder Situation auch eine positive Entwicklung zuzutrauen. Weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir als Gesellschaft zu einem großen Teil das kreieren, was wir glauben. Entsprechend vorsichtig bin ich, allzu düster auf die Dinge zu schauen.

Das fällt mir an dieser Stelle wirklich schwer. Im Trump ist nichts Gutes zu entdecken. Es hilft jedoch ein Blick gen Korea und Japan. Generell, auf Südostasien (da bin ich gerade). Dort hatte man immer weniger Illusionen, was ‚Hilfe gegen China‘ betraf. Die Philippinen haben das zuletzt unter Biden erlebt. Und dennoch gibt es Allianzen mit den USA und es ist die Region, auf die sich die USA konzentrieren möchten.

Schock ist es nicht. Aber eine neue Realität tritt hier in die Kommentare ein. Man ist sich gewiss, sich auf die USA nicht verlassen zu können.

Anders gesagt: Während die USA unter Trump in drei Blöcken denken, China und die USA, und dabei nun um russische Liebe kämpfen wollen (also den dritten Block), hat Europa eine Chance auf neue und ausgebaute Partnerschaften in Asien.

Wir sollten uns nichts vormachen. Eine Folge von Trump ist ein Europa, das als Machtblock innerhalb der Welt agiert. Denn wir müssen davon ausgehen, dass auch ein US-Präsident, der nicht Trump heißt, von dieser neuen US-Politik nicht abweichen wird. Das bedeutet auch, dass Europa gegenüber US-Unternehmen wird hart auftreten müssen. Steuerschlupflöcher sind dabei ebenso zu schließen wie gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen, wenn US-Unternehmen mit Russland Geschäfte machen.

Das Gute ist: Europa hat ausreichend Substanz, um sich dahin zu entwickeln. Ob wir genug Zeit haben, ist vielleicht zweifelhaft, aber bei allem Gerede um Sicherheit gibt es auch eine Wahrheit, die im Kampf der Ukraine liegt: Russland ist besiegbar. Man muss es nur wollen.

RusslandPutintrumpukrainekriegverhandlungeneskalation

Kommentare


zusammenhängende Posts

Mitglieder Öffentlichkeit

Ist die Nato dem Untergang geweiht?

Die Wahl in den USA stellt mal wieder die Frage nach der Nato und ihrer Bestandsfähigkeit. Ich sehe darin vor allem die Frage nach der Veränderungsfähigkeit gen Asien. Aber es wird nicht leicht.

Ist die Nato dem Untergang geweiht?
Mitglieder Öffentlichkeit

Ukraine Doom

In den Medien ist die Ukraine längst dem Untergang geweiht. In diesem Beitrag versuche ich die aktuelle Wahrnehmung als notwendigen Prozess (im Westen) darzustellen.

Ukraine Doom
Mitglieder Öffentlichkeit

Der Krieg in der Ukraine wird ein Teil von uns

Ein Horroszenario zum Krieg in der Ukraine von Nico LangeCarlo Masala übersieht ein paar grundsätzliche Dinge und schadet damit der eigenen Position, statt zu überzeugen.

RT Werbung in Cairo